Freitag, 20. Mai 2011

Solarflugzeug landet in Brüssel - Flieger, grüss mir die Sonne

Psychiater, Abenteurer, Visionär - der Schweizer Bertrand Piccard schickt sein Solarflugzeug auf eine Reise in die Zukunft. Erste Station ist Brüssel.

Filmausschnitt: solarimpulse.com / Bertrand Piccard

Langer, schlanker Rumpf, zarte, zerbrechliche Flügel, federleicht. Wie eine riesige Libelle steht die silbergraue "Solar Impulse" in einem Hangar bei Payerne, der wichtigsten Basis der Schweizer Luftwaffe. Und vor dem Flugzeug, das mit einer Spannweite von 63,4 Metern so ausgreifend wie ein Airbus A-340 ist, hält der Mann eine Rede, der als erster ohne Kerosin, nur mit der Energie, die die Sonne so reichlich spendet, die Erde umrunden will: Bertrand Piccard.

Publikum um sich herum hat er keines, als er vor ein paar Tagen in dieser grauen, schmucklosen Halle auftritt, ebenso wenig wie sein Testpilot André Borschberg neben ihm. Die beiden diskutieren mit einer Schulklasse, die im hundert Kilometer entfernten Genf sitzt und ihre Fragen per Videokonferenz stellt.

Piccard, 52 Jahre alt, ist ein Mann, der schon rein äußerlich Erfolg ausstrahlt: durchtrainierter Körper, kein Gramm Fett zu viel, stechend blaue Augen, der Blick eines Forschers, der sich kühn dem Unbekannten stellt, oder der eines Arztes, der tief in die Seelen der Menschen schaut. Er ist beides. Aber hier und heute ist er Lehrer. "Es geht nicht darum, Rekorde zu brechen", doziert er im Dress eines Sportpiloten, "sondern darum, unabhängig vom Öl zu werden. Die fossilen Energien werden eines absehbaren Tages zur Neige gehen. Wir müssen umdenken. Pioniergeist ist gefragt. Wagt etwas! Ihr seid die Zukunft." Piccard, von Beruf Psychiater, gehört zu jenen Menschen, die anderen Mut machen wollen.

Borschberg ist da schon etwas nüchterner. Er erzählt, wie er einmal ganz allein einen Tag und eine Nacht, 26 Stunden lang, in der Solarmaschine geflogen ist. "Unten vor dem Start war es 35 Grad heiss im engen Cockpit, oben - auf 8000 Meter Höhe - herrschte eine Innentemperatur von minus 20 Grad. Ich habe von Sandwiches und Wasser gelebt, geschlafen habe ich nicht eine Minute", sagt er und gerät dann doch ins Schwärmen, "es war wie ein Traum, ein langer, langer Traum."


Auf dem Weg zu seinem neuen Weltrekord ist Bertrand Piccard am Freitag, 13. Mai 2011 ein Stück vorangekommen. Er will der Erste sein, der die Erde in einem solarenergiegetriebenen Flugzeug umrundet, ohne Treibstoff, ohne Schadstoffemission. Selbst wenn er am Ende nicht am Steuerknüppel sitzt, wird dieser Rekord mit seinem Namen verbunden sein. Piccard will ein neues Kapitel der Luftfahrtgeschichte schreiben.


Aber dem Enkel des Ballonfahrers, dem Sohn des Tiefseeforschers geht es um mehr. Auf Hunderten Vorträgen hat er für einen schonenden Umgang mit den Energieressourcen des Planeten plädiert. Mit seinem Solarflugzeug setzt er eine Botschaft in die Welt: Es geht auch anders. "Das Unmögliche bleibt noch zu erreichen", schrieb einst Jules Verne, ein Fantast, ein Träumer, ein Prophet, ein Realist letztlich.

Auszug aus der Berliner Zeitung